Schönen guten Tag, werte Damen und Herren,
der Medizinische Dienst hat seit kurzem ein neues Begutachtungsinstrument, in dem die Selbstständigkeit entscheidend für einen Pflegegrad ist. In der Folge gibt es keine Pflegegrade mehr für Menschen, die Pflege benötigen.
Vor allem die Schwächsten in der Gesellschaft, werden ohne dargelegte Bedarfe keinen Zugang zum sozialen Sicherungsystem mehr haben und vergammeln daher zunehmend unter den Brücken oder in der Fußgängerzone Ihrer Stadt.
Wer keinen Pflegegrad hat, hat kaum Chancen auf soziale Sicherung seiner Belange. Die Pflegeversicherung (die bei Ihnen in der Masse so sehr willkommen war) trägt vielleicht 30% der Kosten für Ihre Pflege. In der Folge ist Pflege nicht mehr gewünscht, weil zu teuer, obgleich diese von vielen Menschen aufgrund einer Erkrankung nicht mehr durchgeführt werden kann.
Kein Pflegegrad 2, keine Soziale Sicherung, welche die Restkosten für Pflege trägt. Selbstzahler, die sich 3-4 tausend Euro monatlich leisten können, haben dieses Problem nicht (wie Viele von Ihnen wären das ?). Jedoch der 70jährige, der nach 40 Jahren Arbeit nun Sozialhilfe beantragen muss, damit er auf den Mindestsatz kommt, der bekommt keinen Pflegegrad.
Fachkräfte sind seit der Zusammenlegung von Kranken- und Altenpflege rar geworden. Nun nennen sich alle PflegeFACHkräfte. Früher war Fachkrankenpflege auf dem Niveau assistenzärztlicher Tätigkeiten. Heute erkennen Pflegefachkräfte nicht mal psychische Erkrankungen, welche nebenbei geasagt aktuell gerade richtig Amplitude zeigen.
In den Krankenhäusern wird nicht mehr gepflegt, nur noch, wenn es medizinisch relevant ist. Ambulant sind die Bedarfe durch den sozialen Zerfall so enorm angestiegen, dass nun (Fach-)Personal fehlt, was man aufgrund des Tariftreueregelungsgesetz (das so gefeiert worden ist) nicht mal besser bezahlen darf. Die Fachrichtungen spezialisieren sich immer enger, wir haben enorm ansteigende Zahlen von Ping-Pong-Patienten, für die keiner da ist, weil andere Fachrichtung. Ein Ping-Pong-Patient ist jemand, der mit einem Problem auf Station A liegt, aber noch ein Problem für Station B hat, eine andere Fachrichtung, die dann aber da nicht bei gehen und die Verantwortung an Station C, D, E oder F abgeben. Aus den Augen - Geld gespart, wir ha`m eh kein Personal.
Die Verflechtung von Wirtschaftsinteressen und menschlicher Würde passen nicht mehr zusammen. Das betrifft im Grunde alle Heilberufe, es geht heute ums Geld, nicht mehr um uns Mensch. Das ist ein riesen grosses Problem mit der Definition der Würde des Menschen.
Warum stirb die Pflege ? Weil es keine öffentlichen Kostenträger mehr gibt, ohne dass die Pflege genau diese Kostenträger - zumeist sehr erfolgreich - vor dem Sozialgericht verklagt. Ein Gerichtsverfahren kann sich über Jahre hinziehen. Stirbt der Patient in der Zeit, bleibt seine bis dahin erhaltene Pflege unbezahlt. Die Zeit, Widersprüche zu schreiben, Betreuungsverfahren auf den Weg zu bringen, viele erforderliche Dinge anzustossen, damit der Mensch sein Recht bekommt, dauert einfach zu lange.
Im Ergebnis dieser Politik, bieten die Pflegedienste quasi nichts mehr an, was die nicht bezahlt bekommen. Diese Bedarfe sind aber klar vorhanden und MÜSSEN von Pflegefachkräften erbracht werden, damit die Welt nicht stehen bleibt.
In den letzten 3 Jahren haben in meiner Heimatstadt (300k Einwohner) 8 Pflegedienste zu gemacht. Wie ist es in Eurer Stadt ?
Ich würde gerne mehr wissen, über Verflechtungen zwischen den Trägern, über vorenthaltene Leistungsansprüche, über Absprachen mit dem Ziel, einfach Geld zu sparen, weil keines mehr da ist. Warum ist denn kein Geld da ?
Da sind wir bei der Politik und ich habe wirklich Angst, dass Menschen “die Anderen” wählen, weil die Parteien, die das seit 30 Jahren alles erfolgreich zerstört haben, was wir an Wert des Menschen einst hatten, nicht aufhören mit der Zerstörung des Sozialstaates. Hier, wo keiner hungern sollte, oder ?
Es ist zum verweifeln, das Sozialsystem ist quasi kaputt. Es funktioniert nur noch, wenn die Gerichte es mit den Urteilen wieder ankurbeln.
Sie sind verantwortlich für Ihren Lebensbereich. Was ist Ihnen der andere Mensch noch wert ?
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